Offener Brief zum Ende der Koalition mit der CDU

Sehr geehrte Damen und Herren der CDU,

wir schreiben Ihnen als Vorstand und Stadtratsfraktion der FWG, so wie das in einer gemeinsamen Sitzung vom 10.6.14 formuliert und beschlossen wurde. Es ist uns ein Anliegen, Ihnen unsere Beweggründe für den Ausstieg aus der 13 Jahre währenden Koalition darzulegen. Nach guter Zusammenarbeit bis 2009 kühlte sich das Verhältnis in der vergangenen Legislaturperiode nach und nach ab. Festzuhalten ist, dass beide Fraktionen nicht mehr besonders intensiv an einer Verbesserung des Klimas gearbeitet haben. Hier hätten viele Leute mehr tun können, wir auch.

Der vorläufige offene Bruch wurde durch die CDU-Fraktionsführung vollzogen, die im November 2011 erklärte, keine weiteren Gespräche mit der FWG führen zu wollen. Grund war die Verärgerung über die Initiative für eine Bürgerbefragung zur B39-Verlegung. Warum diese Initiative sinnvoll war, kann hier nicht hinreichend dargelegt werden, an ihrer Notwendigkeit besteht für uns auch heute kein Zweifel. Das Merkwürdige an dem ganzen Vorgang aber war, dass Herr Löffler betonte, die Bürgerbefragung sei eine gute und zwar seine eigene Idee schon vor der FWG-Initiative gewesen. Für die CDU-Fraktion dagegen war diese „gute Idee“ ihres Oberbürgermeisters der Grund, die Gespräche mit der FWG einzustellen.

Seit November 2011 fanden folglich keine gemeinsamen Fraktionssitzungen mehr statt. Seit Ende vergangenen Jahres wissen wir, dass seitens der CDU Signale an die SPD gesendet wurden, dass die Koalition mit der FWG nach der Wahl zu Ende gehen werde. Diese Information erhielten wir leider nie von CDU-Verantwortlichen persönlich.

Auf dem CDU-Kreisparteitag zur Listenaufstellung im Januar 2014 erklärten Ingo Röthlingshöfer und Clemens Stahler auch offen, dass man die bisherige Koalition infrage stelle. Gleiches wurde noch zweimal bis Ende Mai über die Presse wiederholt. Marc Weigel dagegen hat bis zuletzt namens der FWG noch gegenüber der Presse z.B. am 15. Mai 2014 und in seiner Rede vor der FWG-Mitgliederversammlung (nachzulesen auf der FWG-Homepage) erklärt, dass wir anstreben, die Zusammenarbeit mit der CDU fortzusetzen, ausdrücklich die Mitverantwortung für die „Regierungszeit“ übernehmen, nun aber gemeinsam besser werden wollen. Verbesserungspotenzial gäbe es reichlich, soll aber hier nicht unser Thema sein.

Ingo Röthlingshöfer und Marc Weigel führten am Freitag, den 30. Mai, auf dem Marktplatz ein Gespräch, das auf Wunsch von Herrn Röthlingshöfer zustande kam. Dieser erklärte Herrn Weigel dabei im Auftrag einer nicht näher bezeichneten „CDU-Runde“ Folgendes:

Über Sachfragen müsse man sich nicht unterhalten, darin gebe es ja ohnehin bis auf wenige nicht weiter ernst zu nehmende Ausnahmen (z.B. Parkhaus) keinen Dissens. In den Beratungen von Vorstand und Fraktion der CDU habe sich aber gezeigt, dass die Stimmung der FWG gegenüber sehr schlecht sei. Als Gründe wurden angeführt: Veröffentlichungen in Sachen Gerst/Branchweiler und Schlachthofgelände; die Wahrnehmung, wir hätten auf Kosten der CDU Wahlkampf betrieben und die Besetzung der neuen FWG-Fraktion mit Stadträten, mit denen man sich nur schwer eine Zusammenarbeit vorstellen könne, namentlich z.B. Christoph Meininger und Eredesvinda Lopez-Herreros. Die Presse hatte darüber ja vorher schon einmal berichtet.

Wir sind verwundert darüber, dass sich die CDU an Persönlichkeiten zu stören scheint, die für die Stadt bereits sehr viel geleistet haben und mit denen die CDU keinerlei Erfahrungen hat. Die Behauptung, wir hätten zulasten der CDU Wahlkampf betrieben, weisen wir verärgert zurück. Zunächst einmal ist klar, dass die FWG eine selbstständige politische Gruppierung ist und wie alle auch den eigenen Erfolg sucht. Es ist aber absurd uns den Misserfolg der CDU anzulasten, dessen Gründe wir jahrelang loyal mitgetragen haben.

Ingo Röthlingshöfer führte dann weiter aus, dass man trotz all unserer Defizite bereit sei, über eine weitere Zusammenarbeit zu reden. Die Grundbedingung sei, dass die FWG ihn als Oberbürgermeisterkandidaten 2017 unterstützen müsse und selbst keinen Kandidaten benennen dürfe. Außerdem solle Herr Krist sein Dezernat aufgeben und Herr Weigel im Falle eines Wahlerfolgs von Herrn Röthlingshöfer in Dezernat II aufrücken. Zwei hauptamtliche Dezernenten von der FWG seien unvorstellbar. Wenn wir die Bedingungen nicht akzeptierten, werde man Herrn Weigel nicht mehr zum Kulturdezernenten wählen. Die Kultur wolle man dann Herrn Krist „aufs Auge drücken“, sodass Herr Weigel damit aus der Opposition heraus niemanden treiben könne.

Um die Kultur wie auch die Stadt insgesamt geht es offensichtlich nicht mehr. Wir schließen daraus, dass die CDU bereit ist, das Interesse der Stadt und die politischen Inhalte so weit hinter den Karrierevorstellungen einzelner Personen zurückzustellen, dass es für uns nicht mehr tragbar sein kann. Die Bedingung wurde von uns als Drohung und Erpressungsversuch verstanden und als ein Verlust an Maß und Anstand begriffen.

Wir rufen Ihnen in diesem Zusammenhang noch etwas in Erinnerung, was vielleicht nicht mehr jeder weiß: Die FWG-Fraktion war es, die Ingo Röthlingshöfer ohne Vertrag und ohne Geschacher über Gegenleistungen 2013 zu einer Mehrheit verholfen, diskussionslos wiedergewählt und bis 2021 seinen Posten gesichert hat. Von der Art, mit der man uns gegenüber nun Bedingungen formulierte, waren wir auch deshalb sehr überrascht.

Wir hätten erwartet, dass die CDU die Gründe für ihre Wahlniederlage in der eigenen Leistung sucht und sich selbstkritisch einmal den eigenen hausgemachten Problemen stellt. Durch die Sprachlosigkeit zwischen Herrn Röthlingshöfer und Herrn Löffler sind SIe selbst seit Jahren innerlich gelähmt. Stattdessen stellte man den Koalitionspartner nach der Wahl über die Presse als illoyal und link hin. Realitätsverlust oder Strategie?

Wir vermuten Letzteres. Leider waren es dieselben Strategen, die sowohl die Koalition als auch den eigenen OB seit Monaten im Hintergrund infrage stellen. Auch wenn es berechtigten Anlass zur Kritik gibt, so müsste es dafür eigentlich andere Ventile als den Koalitionspartner geben.

Herr Weigel teilte Herrn Röthlingshöfer noch in dem Gespräch auf dem Marktplatz mit, dass die Bedingungen der CDU unannehmbar sind und auch das Vertrauensverhältnis zu Herrn Röthlingshöfer aufgrund seines deutlich erkennbaren Abrückens von der FWG nachhaltig belastet sei. Da Herr Röthlingshöfer die Ernsthaftigkeit der angekündigten CDU-Verhandlungskommission aufgrund deren Besetzung selbst in Zweifel zog, stellte Herr Weigel am Ende des Gesprächs ausdrücklich fest, dass es nicht zu weiteren Gesprächen kommen müsse. Folglich wurde auch kein Termin vereinbart oder in einer anderen Form eine Fortsetzung der Gespräche angedeutet. Unserer Vermutung nach war der Bruch geplant und das Gespräch die konsequente Fortsetzung einer Strategie. Wir gehen davon aus, dass man der SPD nun aber ein deutlich besseres Angebot als uns machen muss und wird.

In der Absicht, einer weiteren Brüskierung zuvorzukommen und von der „Groko“ aus der Presse zu lesen, eröffnete Herr Weigel der RHEINPFALZ unsere einhellig getroffene Entscheidung. Herr Weigel hat Herrn Röthlingshöfer freitags bereits die Wiederherstellung des Ansehens der FWG nach den unseligen Wahlnachwehen angekündigt, was dieser so kommentierte, dass er dann „mal gespannt“ sei, was da nächste Woche komme. Herr Weigel hat sich telefonisch bei zwei weiteren CDU-Fraktions- bzw. Vorstandsmitgliedern samstags rückversichert, ob die Verhandlungslinie von Herrn Röthlingshöfer CDU-intern abgesprochen gewesen sei, was ihm im Wesentlichen bestätigt wurde. Auch dort teilte er mit, dass es keine weiteren Gespräche geben werde, machte seine Verärgerung deutlich und deutete den Gang an die Presse an. Danach blieben drei Tage Zeit, um noch einmal auf uns zuzugehen, einen neuen Terminvorschlag zu machen oder zu signalisieren, dass man noch einmal reden müsse. Es erfolgte kein Anruf, weshalb wir davon ausgehen, dass das in dieser Form auch so gewollt war. So trennen sich nun unsere politischen Wege – ein durchaus normaler und legitimer Vorgang. Nach unserer Meinung hätte er aber anders ablaufen sollen.

Die von uns gewählten Vorgehensweise, selbst den finalen Schritt vorzunehmen, sollte nach den monatelangen Demütigungs- und Ablenkungsversuchen nun Schaden von den Freien Wählern abwenden. Unser Ziel war es, der Neustadter Öffentlichkeit und auch unseren Wählern und Sympathisanten zu erklären, wer hier von wem abgerückt ist und wer hier auf wessen Kosten Politik machen wollte. Es war dafür nötig, Zusammenhänge, die unsere Situation erklären, transparent zu machen. Wir werden aber künftig keine „schmutzige Wäsche“ waschen. Der Schlussstrich ist vollzogen.

Wir sind offen für ein konstruktives Arbeitsverhältnis mit allen in der CDU, die im Sinne der Stadt handeln wollen. Die meisten persönlichen Beziehungen bleiben von der aktuellen Entwicklung sowieso unberührt. Wir werden uns in der Sache auseinandersetzen, die CDU aber nicht als Feind bekämpfen, sondern auch künftig die Gemeinsamkeiten suchen. Die Sacharbeit für die Stadt muss wieder im Vordergrund stehen – eigentlich eine Verpflichtung von uns allen.

Vorstand und Stadtratsfraktion der Freien Wählergruppe Neustadt an der Weinstraße e.V.

fwg-neustadt.de//media/Offener_Brief_CDU.pdf

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