Rede des Oberbürgermeisters im Stadtrat zur Einbringung des Antrags zur Änderung der Hauptsatzung am 27.8.19

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich lege Ihnen heute zur Abstimmung einen Vorschlag zur Änderung der Hauptsatzung vor, mit dem Ziel, die Zahl der Beigeordneten von vier auf drei zu reduzieren und den dritten Beigeordneten künftig hauptamtlich einzusetzen.

Viel ist in den vergangenen Wochen darüber gesagt und geschrieben worden, manches scharf, zugespitzt und auch persönlich. Darauf möchte ich nicht eingehen, meinen Antrag aufgrund seiner hohen Bedeutung aber dennoch ausführlicher begründen.

Dass ich nicht nach Salami-Taktik verfahren bin, sondern offen ein Gesamtkonzept für eine Strukturveränderung in zwei Stufen bis 2021 und dazugehörige Personalvorschläge vorlege, ist sicher ungewöhnlich. Ich tue dies einerseits als Chef der Verwaltung, der laut Gemeindeordnung dem Rat Vorschläge zur Verwaltungsorganisation vorzulegen hat.  Ich tue dies aber auch aus Pflichtgefühl gegenüber meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Wählerinnen und Wählern respektive Bürgerinnen und Bürgern, denen ich versprochen habe, nach bestem Wissen und Gewissen dafür zu sorgen, dass sich diese Stadt und die Organisation, die sich um ihre Probleme und Bedürfnisse zu kümmern hat, bestmöglich entwickelt und aufstellt, ihre Schwachstellen schnellstmöglich abbaut und dabei auch neue Wege geht, um die Herausforderungen der Zukunft bestehen zu können.

Ich möchte Ihnen die wichtigsten aus meiner Sicht gerne einmal benennen:

An den Anfang stelle ich die Lösung der immensen Probleme um die Deponie, die Aufarbeitung der Vergangenheit, aber vor allem auch das diffizile Konflikt- und Risikomanagement heute und in der Zukunft. Damit alleine könnten Sie einen Dezernenten voll auslasten.

Ich nenne das Klemmhof-Problem, das auch nicht mehr wie in der Vergangenheit einfach Jahrzehnte weitergeschoben werden darf;

den Abbau unseres immensen Sanierungsstaus in Straßen und öffentlichen Gebäuden und die über Jahre aufgebaute Überlastung in vielen Bereichen der Verwaltung. Ich nenne beispielshaft insbesondere Gebäudemanagement und Tiefbau. Mehr Personal alleine wird das Problem noch nicht lösen. Intensives Kümmern ist gefragt.

Wir haben Probleme, die Fördergelder des Bundes, die mit hohem Zeitdruck auf uns niederkommen, mit dem vorhandenen Personal und in den bestehenden Strukturen vernünftig umzusetzen. Das betrifft schon die „kommunalen Investitionspakete“, weiteres aktuelles Beispiel: Digitalpakt Schule. Bund und Länder wollen für eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik sorgen. Bis 2024 sollen die Millionenprojekte nicht nur alle umgesetzt, sondern bereits abgerechnet sein.

Den Projektstau bei vielen mittleren und kleineren Maßnahmen habe ich Ihnen aufgezeigt. Daneben gibt es aber auch ein paar große Brocken, die uns drücken, zum Beispiel unsere Hauptfeuerwache, ebenso der Schulneubau der Realschule Plus, wo wir massiv in Zeitverzug sind.

Großprojekte wie der Bahnhofsvorplatz und die Landesgartenschau 2026 bringen erheblichen Aufwand und Abstimmungsbedarf mit sich, hier finden Dutzende Besprechungen auch auf Dezernentenebene statt.

Die Stadt hat über Jahrzehnte zu wenige Gewerbeflächen entwickelt. Ich komme hier momentan zwar voran, aber es ist unheimlich aufwendig und schwierig.

Wir alle wollen für die Ortsteilentwicklung mehr tun, ein neuer Flächennutzungsplan steht an, ein Zukunftskonzept Innenstadt und Handel muss her, damit wir uns in Zukunft erfolgreich gegen die Negativentwicklung stemmen können. Auch hier sind wir auf einem guten Weg, aber wir werden die Wirtschaftsförderung und unser Citymanagement intensivieren müssen.

Wir wollen ein ambitioniertes Klimaschutzkonzept umsetzen, die Mobilität modernisieren. Ausreichend KITA-Plätze müssen dringend geschaffen werden: 500 fehlen und damit liegen wir teils deutlich schlechter als andere Städte und müssen trotz aller Schwierigkeiten hinsichtlich mangelnder Flächen und Personalknappheit noch mächtig Gas geben.

Wir wollen und müssen unser touristisches Konzept überarbeiten und uns steigern, brauchen ein übergreifendes Stadtmarketing, das neu aufgebaut werden muss, um unsere Ressourcen effektiver einsetzen zu können und die Anforderungen an ein modernes Veranstaltungsmanagement mit Blick auf Sicherheitskonzepte usw. gewährleisten zu können. Wir brauchen ein neues Konzept für das Deutsche Weinlesefest und müssen uns künftig auch besonders um eine weitere Großveranstaltung im Jahreskalender, das Mandelblütenfest kümmern.

Wir wollen Demokratiestadt sein und sollten das wirklich konsequent angehen und etablieren, wozu ich Ihnen bald einige Ansätze vorstellen werde, aber auch das muss vorbereitet, koordiniert und umgesetzt werden,  gemeinsam mit einer  planvollen, ganzheitlichen Entwicklung unserer Bildungslandschaft. Über deren Bedeutung muss ich hier nicht mehr ausführen.

In der Verwaltung müssen wir mehr Wirtschaftsfreundlichkeit leben, denn sind wir pfalzweites Schlusslicht in der IHK-Umfrage.

Wir müssen unsere Organisation und die Prozesse reduzieren und optimieren, sie neu aufsetzen und dann digitalisieren. Auch das bedeutet einen immensen Arbeitsaufwand, der zentral zu steuern ist. Das ist besonders wichtig, denn damit müssen wir die für andere Aufgaben erforderlichen Ressourcen freisetzen, aber auch um Kosten zu senken, um unsere finanziellen Spielräume zu erhöhen.

Wir wollen unsere Dienstleistungen für die Bürger modernisieren und anpassen, müssen ihren hohen Erwartungen nach Beteiligung und transparenter Kommunikation nachkommen. Auch dies bindet unheimlich Kräfte, gerade auf Dezernentenebene.

Wir wollen und müssen das Ehrenamt stärken, mehr und mehr aber auch einspringen, wo es ausfällt oder an seine Grenzen kommt, Vereine unterstützen, die bestimmte Aufgaben nicht mehr leisten können.

Wir wollen in der Verwaltung ein neues Führungsverständnis etablieren, brauchen neue Arbeitsplatzkonzepte, dringend ein Personalentwicklungskonzept, denn wir sind schon mittendrin im Fachkräftemangel. Auch das ist ein wichtiges Thema für die zentrale Steuerung, um das ich mich persönlich kümmern muss.

Wir arbeiten an neuen Modellen für interkommunale Zusammenarbeit, die wir dringend brauchen, um die drohende Einkreisung abzuwenden. Das Gutachten zur Kommunal- und Verwaltungsreform sagt, Städte unserer Größe seien auf Dauer nicht leistungsfähig genug, um finanzielle Einsparungen geht es da weniger! Wir werden den Gegenbeweis liefern und unsere Leistungsfähigkeit beweisen müssen, was wir dank unserer guten und engagierten Mitarbeiter können. Aber wir müssen uns hier unbedingt bewegen, um nicht die Gestaltungshoheit über unsere Stadt zu verlieren und einen Bedeutungsverlust zu erleiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war nur ein Ausschnitt aus dem Bündel von Herausforderungen, aber ich denke, genug um zu sehen, was vor uns liegt. Ich sage Ihnen das ganz deutlich, in der gegenwärtigen Aufstellung schaffen wir das nicht in der wenigen Zeit, die wir haben.

So sehen das übrigens auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im März in einer geheimen Abstimmung zu fast 90% gesagt haben, dass diese Verwaltung unbedingt in einen Veränderungs- und Modernisierungsprozess geführt werden muss, den es in den letzten Jahrzehnten nicht gab. Und sie wollen sich darin einbringen.

Über die Inhalte und Ziele des Strategieprozesses hatten wir sie im April informiert und werden sie im September auf den aktuellen Stand bringen und aktiv beteiligen.

Stimmen Sie meinem Vorschlag zu, wären alle vier Stadtvorstände eng in diesen Prozess eingebunden und bekennen sich dazu, eine modernere und leistungsfähigere Struktur zu schaffen. Das wäre auch ein gutes Signal in die Verwaltung, dass dieser Aufbruch ernst gemeint ist, auf alle Ebenen und in alle Bereiche ausstrahlt.

Warum schlage ich vor, auf einen hauptamtlichen Stadtvorstand zu setzen?

Ich werde darauf bewusst hier nicht näher eingehen, aber ich denke, am Beispiel der über Jahre gewachsenen Problematik um Maifischgraben und Haidmühle kann man sehen, wo die Grenzen der Ehrenamtlichkeit in Verantwortung selbst für einen relativ kleinen Geschäftsbereich liegen. Auch die Aufarbeitung der ganzen Probleme könnte ein ehrenamtlicher Dezernent definitiv nicht leisten.

Dieser übt sein Amt in seiner Freizeit aus, was aller Ehren wert, aber sowohl zeitlich beschränkt ist, als auch den Nachteil mit sich bringt, dass man mit dem Kopf eben nicht ganz in den Verwaltungsthemen steckt und in der Regel auch kaum Zeit hat, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung und ich denke, Markus Penn kennt das Gefühl auch, mit dem ich übrigens sehr gerne und gut zusammenarbeite und den ich auch gerne weiter in Mitverantwortung für die TKS sehe. Dazu würde ich Ihnen mit der Geschäftsverteilung im September noch einen Vorschlag vorlegen. Auf einen hauptamtlichen Stadtvorstand zu setzen, richtet sich weder gegen das Ehrenamt noch gegen die Personen, zudem Dieter Klohr ohnehin altersbedingt aufhören möchte. Aber ein hauptamtliches Team im Stadtvorstand kann ganz anders arbeiten, ist zeitlich flexibler und insgesamt leistungs- und handlungsfähiger, weil in Vollzeit und auch mit voller Konzentration hauptberuflich für die Stadt und die Verwaltung gearbeitet wird.

Neustadt hat so große Herausforderungen zu bestehen und so große Probleme zu bewältigen, dass es dazu diese maximale Kraft braucht. Und das rechtfertigt aus meiner Sicht auch die jährlichen Mehrkosten von 60.000 Euro.

Mit dieser Struktur wären wir übrigens da, wo andere längst sind. Von den zwölf kreisfreien Städten haben neben uns nur noch zwei, Stadtvorstände mit ehrenamtlichen Beigeordneten. Aus den gleichen Gründen, wie ich sie vorbringe.

Bestärkt zum Vorschlag  Bau- und Finanzdezernat vom OB-Dezernat abzutrennen hat mich übrigens ein Gespräch mit OB Bernhard Matheis in Pirmasens, der auf eine besonders erfolgreiche Amtszeit und gute Entwicklung seiner Stadt bei schwierigen Rahmenbedingungen zurückschauen kann. Übrigens auch mit einem parteilosen Stadtvorstandsmitglied. Auch sein Nachfolger Zwick arbeitet mit diesem Modell weiter, in dem Bau- und Finanzdezernat abgekoppelt sind; so oder teilweise so auch die Städte LU, KL, ZW, LD, SP (Baudezernat) und FT (Finanzen). Ich bin der Meinung, dass man von anderen lernen kann und es keinen Grund gibt, davon auszugehen, dass unsere bisherige Arbeitsform besonders erfolgreich war.

Ebenso wichtig wie die Dezernatsverteilung sind aber die handelnden Personen, die das Amt ausfüllen sollen. Ich sehe das nicht unabhängig von den Erfahrungen und Kompetenzen und habe deshalb Bernhard Adams und Stefan Ulrich ins Gespräch gebracht.

In dem von mir vorgelegten Modell sind die Geschäftsbereiche so zugeordnet, dass sich jeder Dezernent mit seinen Fähigkeiten und Kompetenzen am besten einbringen kann, sich daraus ein Kollegium ergibt, das sich optimal ergänzt und gemeinsame Ziele verfolgt, dabei kontrovers diskutiert und konstruktiv-kritisch miteinander umgeht.

Vereinzelt wurde der Eindruck erweckt, als sei mein Motiv eine bequemere, quasi unangreifbare Rolle anzustreben,  würden nach der Wahl zum Beigeordneten aus selbstbewussten, verwaltungserfahrenen und kompetenten Männern abhängige Gefügige.

Mit ihrer Wahl sind die neuen Beigeordneten in erster Linie nicht von mir abhängig, sondern von Ihnen, dem Stadtrat. Nicht ich kann Sie abberufen, sondern Sie. Auch kann der Rat jederzeit die die Hauptsatzungsänderung wieder rückgängig machen, wenn sie nicht zum gewünschten Erfolg führt und auch wieder ehrenamtliche Dezernenten schaffen, wenn er sich davon aus welchen Gründen auch immer mehr verspricht.

Daher halte ich vieles, was zum Thema Verschiebung der Gewichte zwischen Stadtvorstand und Stadtrat gesagt wurde, schlicht für abwegig.

Um was ich Sie heute bitte, ist das Vertrauen, dass mein Vorschlag, mit dem ich alle Karten auf den Tisch lege, eine Chance ist, an die Spitze der Verwaltung ein Team zu stellen, das mit- und nicht gegeneinander arbeitet, das gemeinsame Ziele verfolgt und Probleme gemeinsam anpackt – in Ihrem Auftrag. Der Rat wird dadurch nicht schwächer, sondern unabhängiger.

Dabei wünsche ich mir einen starken Stadtrat, der lebhaft aber fair diskutiert, der treibt und gute Ideen einbringt, der aber auch realistisch bleibt und Verständnis für unsere vielen Sachzwänge aufbringt. Es wird auch in einer neuen Konstellation genügend Ansätze für Kritik geben und ich und wir werden auch Fehler machen, wofür man uns kritisieren kann.

Letztlich glaube ich aber daran, dass wir alle das gleiche Ziel haben, nämlich das Wohl unserer Stadt.

Das spreche ich selbstverständlich auch keinem ab, der die Änderung der Hauptsatzung heute ablehnt. Ich respektiere das, bitte Sie aber dahingehend trotzdem, die Argumente nochmal wirken zu lassen und bitte auch nach der Entscheidung um eine konstruktive Haltung, wenn es um die weiteren Schritte geht, die dem heutigen folgen müssen.